Die Bundesländer machen mobil, das Bundesbildungsministerium versucht zu beruhigen: Der Krach um den Digitalpakt Schule verunsichert die Schulen, wie unlängst der Lehrkräfteverband VBE festgestellt hat. Müssen Schulträger und Schulleitungen womöglich sogar fürchten, dass bereits zugesagte Mittel jetzt doch nicht fließen? Wir bringen Licht in eine verwickelte Debatte.
Was ist der Gegenstand des Streits? Der Digitalpakt Schule, der im Mai 2019 im Rahmen einer Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern geschlossen wurde, sichert die Finanzierung von digitaler Ausstattung der Schulen bis (einschließlich!) 2024. Fünf Milliarden Euro wurden dazu zunächst von der Bundesregierung bereitgestellt, später noch eine zusätzliche Milliarde für Endgeräte, die Schülerinnen und Schülern zur Verfügung gestellt werden sollten, sowie 500 Millionen Euro für IT-Administration. Die Frage ist jetzt, was passiert, wenn der Digitalpakt zu Ende geht. Die Bundesregierung hatte versprochen, im Anschluss für einen Digitalpakt 2.0 zu sorgen – und dies sogar im Koalitionsvertrag festgehalten.
Die Bundesländer haben nun wachsende Befürchtungen öffentlich gemacht, dass die Bundesregierung ihr Versprechen kassiert, weil konkrete Schritte bislang ausgeblieben sind. „Angesichts ausbleibender Zusagen für die Weiterführung dieses zentralen Programms sind wir in großer Sorge, dass Schulen, Schulträger und Bundesländer jetzt von der Bundesregierung allein gelassen werden“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung der Präsidentin der Kultusministerkonferenz und Berliner Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) und den Koordinatoren der Länder, Hamburgs Schulsenator Ties Rabe (SPD) und Hessens Kultusminister Alexander Lorz (CDU).
Was steht denn im Koalitionsvertrag? Im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP heißt es zum Digitalpakt Schule: „Wir wollen Länder und Kommunen dauerhaft bei der Digitalisierung des Bildungswesens unterstützen. Gemeinsam mit den Ländern werden wir einen Digitalpakt 2.0 für Schulen mit einer Laufzeit bis 2030 auf den Weg bringen, der einen verbesserten Mittelabfluss und die gemeinsam analysierten Bedarfe abbildet. Dieser Digitalpakt wird auch die nachhaltige Neuanschaffung von Hardware, den Austausch veralteter Technik sowie die Gerätewartung und Administration umfassen.“
Und warum sind die Länder trotzdem in Sorge, dass der Bund aussteigen will? „Wir gewinnen leider immer mehr den Eindruck, dass die Bundesregierung aus dem im Mai 2024 endenden Digitalpakt Schule ganz aussteigen will. Die zugesagte Anschlussfinanzierung für das Jahr 2024 in Höhe von mindestens 600 Millionen Euro will die Bundesregierung streichen. Und die weiteren Digitalpaktmittel von jährlich über eine Milliarde Euro ab dem Jahr 2025 sollen nicht einmal in die mittelfristige Finanzplanung der Bundesregierung aufgenommen worden sein. Das macht uns große Sorgen. Es kann nicht sein, dass der Bund erst mit großer Entschiedenheit ein gewaltiges Reformprojekt anschiebt und dann entgegen seiner Zusagen aussteigt und Länder und Kommunen allein lässt“, erklärten Rabe und Lorz in dem gemeinsamen Papier.
Was sagt denn die Bundesregierung? Die gibt sich wortkarg. In einer bislang unveröffentlichten Antwort auf eine Kleine Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zum Thema – die der Redaktion von Einfach.Digital.Lernen vorliegt –, erklärt das Bundesbildungsministerium: „Die mögliche Ausgestaltung eines DigitalPakts 2.0 ist Gegenstand laufender Abstimmungen innerhalb der Bundesregierung sowie mit den Ländern. Dabei wurde den Ländern schon zu Beginn der Verhandlungen erläutert, dass es Finanzmittel eines neuen DigitalPakts 2.0 nicht parallel zur laufenden Finanzierung von Projekten im bestehenden DigitalPakt Schule geben werde.“
Müssen die Schulen nun fürchten, dass zugesagte Mittel nun doch nicht fließen? Nein. Das Bundesbildungsministerium stellt klar: „Wie in der Verwaltungsvereinbarung zum Digitalpakt Schule 2019 bis 2024 geregelt, sind laufende Projekte bis zum Jahr 2025 finanziert, der vergleichsweise kleine Teil der länderübergreifenden Projekte sogar bis Ende 2026. Daher ist ein nachfolgender Digitalpakt nicht für das Jahr 2024 geplant.“
Der Digitalpakt Schule hat 2019 den Stein zur Digitalisierung unserer Schulen ins Rollen gebracht. Die Digitalisierung aller Lebensbereiche bietet für unser Land Riesenchancen. Wir müssen Kinder und Jugendliche in die Lage versetzen, diese Riesenchancen für sich nutzen zu können.
MdB Thomas Jarzombek
Was sagt die Bundesbildungsministerin? Bettina Stark-Watzinger (FDP) bemüht sich, Sorgen der Schulen in Zusammenhang mit dem Digitalpakt Schule zu zerstreuen. „Beim Digitalpakt Schule ist aktuell kein akutes Förderloch zu befürchten”, sagte sie unlängst der Nachrichtenagentur AFP. Bis Jahresende seien „bei Weitem noch nicht alle zur Verfügung stehenden Mittel verplant, geschweige denn abgeflossen”. Somit stünden „auch 2024 und bis ins Jahr 2025 hinein noch Mittel bereit“. Weiter erklärte sie: „Unser klares Ziel ist es, mit einem Digitalpakt 2.0 die Schulen in unserem Land noch zielgenauer und mit weniger Bürokratieaufwand bei der großen Herausforderung der Digitalisierung zu unterstützen.“ Sie werde sich „mit Nachdruck dafür einsetzen, dass der Bund seinen Beitrag zu einem Digitalpakt 2.0 leisten wird“.
Ist damit alles in Ordnung? Keineswegs. Denn die Bundesbildungsministerin hatte noch eine Kröte für die Bundesländer parat. „Ich erwarte jedoch von den Ländern, dass sie die gleiche Kraftanstrengung auf sich nehmen, da Bund und Länder bei der Herausforderung der Finanzierung an einem Strang ziehen müssen. So wurde im Kabinettsbeschluss zum Haushalt 2024 festgelegt, dass künftig bei neuen Maßnahmen, bei denen der Bund die Länder unterstützt, der Finanzierungsanteil des Bundes maximal 50 Prozent betragen darf.“ Sie würde es „sehr begrüßen, wenn die Kultusministerinnen und -minister der Länder, die kürzlich die Bedeutung eines Digitalpakts 2.0 betont haben, ihren Worten nun auch Taten folgen lassen. Die Digitalisierung der Schulen ist ein Gemeinschaftsprojekt von Bund und Ländern, bei dem jede Seite ihren Beitrag zum Gelingen erbringen muss.“
Beim Digitalpakt hatte der Bund bisher den Löwenanteil getragen, die Länder mussten lediglich zehn Prozent Eigenanteil beisteuern. Hamburgs Bildungssenator Ties Rabe nannte den angesprochenen 50:50-Schlüssel eine deutliche Verschärfung „und insofern weiß man auch hier nicht genau, ob diese Verschärfung nicht letztlich auch darauf abzielt, dem Ganzen ein Ende zu setzen“.
Wofür ist ein Digitalpakt 2.0 denn überhaupt nötig? Ties Rabe erklärt: „Jeder weiß, wie schnell digitale Geräte veralten und ersetzt werden müssen. Wenn die Bundesregierung jetzt aus dem Digitalpakt aussteigt, können mehrere Millionen neu angeschaffte Tablets, Laptops, digitale Tafeln und Server ab 2024 weder gewartet noch modernisiert und ersetzt werden. Das ist dem Bundesministerium bekannt, und es muss ein gemeinsames Anliegen sein, diese Investitionen in die Zukunft Deutschlands zu verstetigen.“
Was sagt die Opposition im Bundestag? Der bildungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Thomas Jarzombek erklärte gegenüber der Redaktion von Einfach.Digital.Lernen: „Der Digitalpakt Schule hat 2019 den Stein zur Digitalisierung unserer Schulen ins Rollen gebracht. Die Digitalisierung aller Lebensbereiche bietet für unser Land Riesenchancen. Wir müssen Kinder und Jugendliche in die Lage versetzen, diese Riesenchancen für sich nutzen zu können. Das ist das große Ziel des Digitalpaktes Schule und die gemeinsame Verantwortung von Bund und Ländern. Ich habe kein Verständnis für das endlos lange Taktieren und Wegducken der Bundesbildungsministerin. Ich erwarte gerade von einer von der FDP gestellten Bundesbildungsministerin, dass sie ‚digital first – Bedenken second‘ nicht nur alle vier Jahre plakatiert, sondern sich jetzt endlich persönlich um die Nachfolge des Digitalpaktes Schule kümmert. Die Hälfte ihrer Amtszeit ist fast ‚rum und alle Fragen beim Digitalpakt Schule sind weiterhin offen. So kann es nicht weitergehen.“
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