Kommt der Digitalpakt Schule 2.0? Wann kommt er? Und wie viel Geld wird der Bund bereitstellen? Die unklare Situation – unlängst von der Kultusministerkonferenz (KMK) öffentlich beklagt, wie Einfach.Digial.Lernen. mit allen Hintergründen berichtete – sorgt unter den Lehrkräfteverbänden sowie den Kommunen für Ärger. Der Druck auf die Politik wächst, sich auf eine Anschlussfinanzierung schnellstmöglich zu einigen.
Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) unterstützt die KMK in ihrer Forderung an die Bundesregierung, den auslaufenden Digitalpakt Schule zu verlängern – zeigt sich aber über den Streit irritiert. Die Schulen würden verunsichert.
„Schon lange tritt der VBE dafür ein, dass die Digitalisierung in den Schulen auch durch einen weiteren Digitalpakt mitfinanziert wird. Längst sind nicht alle Schulen mit der notwendigen Infrastruktur ausgestattet“, stellt der Bundesvorsitzende Gerhard Brand, fest. Eine Umfrage im Auftrag des VBE aus dem Herbst 2022 zeige: „Noch immer gibt es in einem Drittel der Schulen nicht in allen Klassen- und Fachräumen Zugang zu Breitbandinternet und WLAN. An ebenfalls einem Drittel der Schulen muss der technische Support ohne personelle Ressourcen oder externe Unterstützung sichergestellt werden. Zudem beobachten wir kaum Zuwächse bei der Wahrnehmung von Fortbildungen, da es schlicht keine Zeit gibt, diese zu besuchen. Der Lehrkräftemangel frisst die Digitalisierung.“
Brand betont: „Die Kürzung oder Streichung von Bundesmitteln ginge vor allem zu Lasten finanzschwacher Kommunen.“ Zugleich erinnert der VBE-Bundesvorsitzende aber auch daran, dass es Aufgabe von Politik sei, einen tragbaren Konsens herbeizuführen. „Dass die Finanzierungslage nicht geklärt ist, führt in den Schulen zu einer hohen Verunsicherung. Es ist den Mitgliedern der Kultusministerkonferenz hoch anzurechnen, dass sie sich ebenfalls um die Anschlussfinanzierung sorgen. Gleichzeitig ist es befremdend, wenn der bisherige Dialog nun zu einem vielstimmigen Monolog wird. Wo Aussage gegen Aussage steht, wirft das kein gutes Licht auf alle Beteiligten. Was es braucht, ist kein Gegeneinander, sondern mutige Schritte nach vorne und ein verantwortliches Handeln im Dreiklang von Bund, Ländern und Kommunen“, meint Brand.
„Die Bundesregierung drückt sich vor Zusagen zur Weiterführung des Digitalpakts Schule, der im Mai nächsten Jahres ausläuft. Dies kritisieren wir als Bildungsgewerkschaft scharf. Die Auswirkungen bei einem Ausbleiben des Digitalpakts 2.0 wären gravierend: Dringende Investitionen an den Schulen dürfen nicht vertagt werden. Für die Schulen ist Planungssicherheit immens wichtig, zum Beispiel wenn man Personal für die IT-Administration gewinnen möchte“, kommentiert Anja Bensinger-Stolze, Vorstandsmitglied der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und Expertin für Digitalisierung der Schulen. „Seit der Coronapandemie hat es einen Digitalisierungsschub an Schulen gegeben. Statt nun für eine Kontinuität bei der digitalen Infrastruktur zu sorgen, stellt die Bundesregierung die Schuldigitalisierung hinten an.“
Der Deutsche Philologenverband warnt die Bundesregierung dringend davor, die geplante Fortsetzung des Digitalpakts auf 2025 zu verschieben. Der Digitalpakt 2.0 müsse bereits Anfang 2024 starten. „Wir können uns für den Digitalpakt 2.0 keine Verschiebung leisten“, erläutert die Bundesvorsitzende Prof. Dr. Susanne Lin-Klitzing. Denn Deutschland hinke bei der Digitalisierung der Schulen ohnehin schon hinterher.
„Die Mittel des Digitalpakt Schule sind so gut wie abgerufen. Nach jetziger Planung entstünde eine Pause, die sich keine Schule, keine Lehrerin, kein Lehrer und genauso keine Schülerin und kein Schüler leisten kann. Wir erwarten hier umgehende Nachbesserungen“, so erklärte die Verbandsvorsitzende. „Die Anschlussfinanzierung für den so nötigen IT-Support an den Schulen wird mit der Verschiebung ausgesetzt. Und auch die digitalen Endgeräte für Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte müssen dringend – nun mit einer hoffentlich nachhaltigen Strategie – neu beschafft werden“, so Lin-Klitzing.
Eine drohender Ausstieg des Bundes aus dem Förderprogramm löst auch bei Schulleitungen Entsetzen aus. Die Digitalisierung der Schulen drohe damit zu einer Eintagsfliege zu werden, erklärt der Allgemeine Schulleitungsverband Deutschland (ASD). Klar sei, dass die Bundesländer die dann auf sie zufallenden Kosten nicht stemmen könnten.
Festzustellen sei unter anderem, dass „die Infrastruktur für die Digitalisierung weder in den Kommunen noch innerhalb der Schulen weit genug ausgebaut ist, die Geräteausstattung für Schüler- und Lehrerschaft vielerorts kaum ausreichend ist, Erneuerungsbedarf sichtbar wird und die Betreuung der Hard- und Softwareware weitestgehend von Lehrerinnen und Lehrern übernommen wird, die in diesen Zeiten nicht für Unterricht zur Verfügung stehen“, so erklärt die Vorsitzende Gudrun Wolters-Vogeler.
„Sehen wir der Wahrheit ins Gesicht: Die kommunalen Schulträger sind mit der Zusatzaufgabe Digitalisierung finanziell überfordert. Mit der Anschaffung einer Generation von Tablets ist es eben nicht getan. Die Geräte müssen gewartet, administriert und die ersten müssen bereits jetzt ersetzt werden“, sagt Christof Sommer, Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds Nordrhein-Westfalen. „Auch der Mangel an IT-Fachkräften macht den Schulträgern schwer zu schaffen, das ist kein Geheimnis. Die Not in den Städten und Gemeinden ist zwar sehr unterschiedlich ausgeprägt, aber das fehlende Fachpersonal zählt mit Sicherheit zu den größten Herausforderungen überhaupt. Bei der Digitalisierung der Schulen wird uns das wertvolle Zeit kosten. Gleichwohl bleibt der Prozess in meinen Augen unumkehrbar.” EDL