Beim Einsatz digitaler Medien im Unterricht, denken viele erst einmal an die Hauptfächer. Dabei profitieren gerade auch die vermeintlich „kleinen“ Fächer vom technischen Fortschritt, weiß zum Beispiel Kunstlehrer Klaus Dauven. Einfach.Digital.Lernen. sprach mit ihm über iPads, Kreativität und seine außergewöhnliche „Kunst der Vergänglichkeit“, mit der er weltweit Staumauern verschönert.
Einfach.Digital.Lernen.: Man könnte behaupten, dass Computer die Kreativität killen. Warum würden Sie sagen, ist der Einsatz von digitalen Medien im Unterricht Ihrer Meinung nach trotzdem sinnvoll?
Klaus Dauven: Ich würde grundsätzlich widersprechen, obwohl ich selber Künstler und Kunstlehrer mit eher analogem Schwerpunkt bin. Ich würde die Behauptung, dass Computer die Kreativität killen, nicht so stehen lassen. Ich finde es interessant und denke, dass man auch mit dem Computer sehr kreativ umgehen kann.
EDL: Wie muss man sich das vorstellen, Kunstunterricht mit digitalen Medien?
Klaus Dauven: Was wir tatsächlich durch die Pandemie gelernt haben, ist der Umgang mit dem iPad. Das ist ein Mittel, das ich jetzt verstärkt im Unterricht einsetze. Also erst mal klassisch, um Bilder zu zeigen. Das ist natürlich keine große Neuerung, aber auch die Zeichenfunktion setze ich jetzt in zunehmendem Maße ein und da kann man tolle Sachen visualisieren. Zum Beispiel Zeichenübungen: Ich zeichne vor, die Schüler zeichnen nach und das Ganze wird quasi in Echtzeit auf die Leinwand projiziert.
Ich bin manchmal der Schüler, der sich von den wirklichen Schülern inspirieren und Tricks zeigen lässt.
EDL: Wie gut kommen die Schülerinnen und Schüler denn mit den Endgeräten klar?
Klaus Dauven: Ich unterrichte zum Beispiel eine neunte Klasse und da gibt es ziemlich viele, die wirklich sehr kunstinteressiert sind. Sie interessieren sich für Mangas, also für japanische Kunst. Sie zeichnen fast ausschließlich mittlerweile auf dem iPad. Und da gibt es tolle Möglichkeiten der Vervielfältigung, aber auch des technischen Arbeitens. Ich bin da manchmal der Schüler, der sich von den wirklichen Schülern inspirieren oder Tricks zeigen lässt.
EDL: Die Jugendlichen sind also schon ziemlich fit im Umgang mit digitalen Medien. Was würden Sie Kolleginnen und Kollegen raten, die ihren Kunstunterricht digital erweitern möchten?
Klaus Dauven: Also erst mal glaube ich, sollte man keine Angst davor haben und offen sein. Ein Beispiel: Wenn man eine Unterrichtsreihe auswertet und sich die Ergebnisse der Schüler anguckt, hat man manchmal DIN-A4-Blätter, die man an die Tafel gepinnt hat mit einem Magneten oder mit Klebstoff. Und dann hat sich davor ein Halbkreis von dreißig Schülern gebildet. Da können Sie sich vorstellen, wie die Aufmerksamkeitsspanne dann in den hinteren Reihen ist, also gleich null. Damit muss man immer kämpfen. Jetzt kann man die Ergebnisse abfotografieren. Man kann mit dem iPad durch die Reihen laufen und die Ergebnisse einfach mal zeigen und die werden dann quasi parallel über den Beamer auf die Leinwand vorne an der Tafel projiziert. So können dann alle sehen, was die einzelnen machen.
Bei uns an der Schule ist tatsächlich eine Aufbruchstimmung, gerade mit den digitalen Medien. Wir haben viele Referendare und die bringen auch noch mal einen Input mit und wir treffen uns regelmäßig und tauschen uns aus über die neuen Möglichkeiten.
EDL: Das hört sich gut an. Gibt es denn auch Situationen, in denen das iPad eher vom Unterricht ablenkt?
Klaus Dauven (lacht): Ja, da kann ich ein aktuelles Beispiel nehmen, ist mir zwar nicht selber passiert, aber meine Co-Klassenlehrerin hat mir davon erzählt: Ein Mädchen hatte für die Reihen hinter sich über Netflix einen Film angemacht, ohne Ton, den sie sich dann angeguckt haben.
EDL: Nun könnte man behaupten, dass vielleicht andere Fächer wie Deutsch und Mathematik wichtiger sind fürs spätere Leben der Schülerinnen und Schüler als Kunst…
Klaus Dauven: Ja, das wird immer gerne behauptet. Ich widerspreche dem immer vehement, weil ich denke, dass wir gerade auch durch die digitalen Medien mit Bildern in aller möglichen Form und unglaublicher Präsenz umgehen. Ein bewusster Umgang mit Bildern ist wichtig. Dazu gehört auch eine Analyse, Kritik und eine rationale Bestandsaufnahme. Wir haben letztens Wahlplakate analysiert als die Bundestagswahl anstand und man konnte feststellen, dass Bilder – wenn man sich wirklich mit ihnen auseinandersetzt – sehr viel aussagen, manchmal mehr als Worte. Bilder funktionieren bewusst und unterbewusst. Und ein bewusster Umgang, gerade auch mit Manipulation, ist sehr wichtig.
EDL: Sie sind ja nicht nur Kunstlehrer, sondern auch Künstler und erschaffen selbst eigene Kunstwerke. Was machen sie lieber?
Klaus Dauven: Ich war als Kind schon sehr kreativ, habe viel gezeichnet, Comics hergestellt und habe dann Kunst studiert und irgendwann kam der Beruf Kunstlehrer dazu. Ich bin gerne beides, sowohl bildender Künstler als auch Kunstlehrer. Das Tolle an der Schule ist der Umgang mit Menschen.
EDL: Für Ihre Kunst haben Sie die Idee des „Reverse Graffiti“ entwickelt. Sie tragen Schmutz von großen Betonflächen ab und lassen dadurch ein Bild entstehen. Wie kommt man auf so etwas?
Klaus Dauven: Die Idee ist sehr einfach. Man nimmt im öffentlichen Raum von etwas Bestehendem etwas weg. Und durch den Kontrast von sauber zu noch verschmutzt entsteht eine Zeichnung. Das kann man relativ bewusst einsetzen und es gibt nicht nur große Zeichnungen, sondern es gibt auch kleine Arbeiten – manche sind sogar nur einige Zentimeter groß. Die Bilder, die ich auf Staumauern zeichne, sind die spektakulärsten und bekanntesten. Ich habe immer in meiner künstlerischen Karriere mit Zeichenarten oder Möglichkeiten experimentiert. Zum Beispiel habe ich mit Grafitstift und Grafitfarbe, die ich mir gemischt habe, gezeichnet. Irgendwann kam diese Idee, beim Zeichnen mit Kohle den Staubsauger dazu zu holen und dann auf dem Papier mit dem Staubsauger Kohle abzusaugen. Dadurch habe ich dieses Verfahren entdeckt.
EDL: Gibt es eine bestimmte Botschaft, die Sie mit dieser Kunstform vermitteln möchten?
Klaus Dauven: Ich glaube, dass meine Botschaft sein könnte, aufmerksam zu sein und genau hinzugucken, auch Dinge zu sehen, die man vielleicht normalerweise nicht so sieht oder die nicht so im Fokus stehen. Man muss sich mit diesen Dingen auseinandersetzen. Das Reverse Graffiti geht im öffentlichen Raum oft unter, weil diese Flächen nicht in der öffentlichen Wahrnehmung sind oder man schnell an ihnen vorbeisehen kann.
EDL: Woher nehmen Sie die Ideen für Ihre Motive?
Klaus Dauven: Ich werde mit einer Fläche konfrontiert. Also es kommen Leute auf mich zu oder ich entdecke selber Flächen und dann überlege ich: Wie kann ich damit umgehen? Das können Flächen und Motive in unberührter Natur oder im urbanen Raum sein.
EDL: Nun ist es so, dass Ihre Kunstwerke nicht ewig bleiben, sondern die Bilder verschwinden mit der Zeit wieder durch den natürlichen Moosbewachs und andere Elemente. Macht Sie diese Vergänglichkeit traurig oder ziehen Sie aus dieser Vergänglichkeit vielleicht sogar die Kreativität für neue Werke?
Klaus Dauven: Es war von Anfang an Bestandteil meiner Arbeit. Gesucht habe ich das allerdings nicht. Ich habe diese Vergänglichkeit quasi gefunden und mir natürlich relativ viele Gedanken dazu gemacht. Ich bin aber dann zu dem Schluss gekommen, dass das eigentlich nichts Negatives ist, sondern die Aussagekraft der Zeichnungen verstärkt, weil es diesen zeitlichen Aspekt miteinschließt. Wir Menschen sind ja auch alle vergänglich. Durch diese Endlichkeit besteht eine besondere Beziehung zu den Zeichnungen.
Seine Faszination für Kunst habe er von seinen Eltern bekommen, sagt Klaus Dauven. „Wir haben immer schon gemalt, gezeichnet, getöpfert oder gebaut. Für mich ist künstlerische Tätigkeit etwas ganz Natürliches und Lebensnotwendiges“, so der gebürtige Dürener. Der mehrfach ausgezeichnete Künstler hat in Düsseldorf, Münster und Aix-en-Provence studiert und arbeitet heute an der Gesamtschule Langerwehe, nahe seiner alten Heimatstadt – wenn er nicht gerade mit seinem Zeichengerät, einem Hochdruckreiniger, die Welt verschönert.