Noch zu viele Schüler*innen in Deutschland verfügen über zu wenige digitale Kompetenzen. Zu diesem Ergebnis kommt das jährliche Bildungsranking der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) unter anderem. Neben den üblichen zwölf Handlungsfeldern – von Bildungsausgaben über Betreuungsbedingungen und Integration bis hin zur Hochschulforschung – entschied erstmals der Bereich Digitalisierung mit über den Aufstieg oder Abstieg der Bundesländer. Kritik gibt es in Richtung Kultusministerkonferenz.
Ausgerechnet Bremen belegt im neu eingeführten Bewertungsmaßstab „Digitalisierung“ des diesjährigen Bildungsmonitors den ersten Platz und überlässt Bayern und Baden-Württemberg die nachfolgenden Ränge. Bildet der Stadtstaat im allgemeinen Ranking das Schlusslicht, so kann er doch wenigstens mit der Ausbildung von Informatiker*innen in Studium und beruflicher Bildung punkten. In Bayern, auch im allgemeinen Ranking auf Platz zwei, werden digitale Endgeräte häufig im Unterricht genutzt. Zudem wurden dort wie auch im benachbarten Baden-Württemberg die meisten Digitalisierungspatente angemeldet. In Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Brandenburg hingegen konnten sich weder mit schnellem Internet an Schulen noch bei der Ausbildung von IT-Fachkräften beweisen. Sie belegen die letzten Plätze, wenn es um den Bereich Digitalisierung geht.
Seit 2004 vergleicht das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) die Bildungssysteme der Bundesländer aus bildungsökonomischer Sicht. Anhand verschiedener sogenannter Handlungsfelder untersucht das Institut, inwiefern das jeweilige Bildungssystem zur Fachkräftesicherung beiträgt oder Aufstiegsmöglichkeiten schafft. Zudem wird verglichen, wie es um Bildungsgerechtigkeit und Bildungschancen steht.
Lernverlust soll systematisch erfasst werden
Insgesamt, so die Autor*innen des Bildungsmonitors, sehe es allerdings nicht gut aus. So hätten sich die Bereiche Schulqualität, Integration und Hochschule/MINT in den letzten Jahren deutlich verschlechtert. Mit Verweis auf die neueste IQB-Erhebung, die den Viertklässlern 2021 immense Kompetenzmängel attestierte, plädieren die Autor*innen dafür, bundesweite, schulformübergreifende Vergleichsarbeiten in allen Jahrgangsstufen durchzuführen, um den Umfang des Lernverlustes systematisch zu ermitteln. Auf dieser Grundlage könnten dann Nachqualifizierungsprogramme entwickelt werden. Des Weiteren fordern die Verfasser*innen unter anderem den Ausbau einer hochwertigen Ganztagsinfrastruktur sowie Investitionen in bessere Bildungschancen, beispielsweise durch die Aufstockung von Personal.
Digitale Technik und Unterrichtsinhalte passen oft noch nicht zusammen
Die Digitalisierung habe an deutschen Schulen in den letzten Jahren Fortschritte gemacht. Die möglichen Potenziale auf diesem Gebiet seien aber noch lange nicht ausgeschöpft. „Es ist davon auszugehen, dass die digitalen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler während der Corona-Pandemie zugenommen haben, da vielerorts während der Schulschließungen auf digitale Unterrichtsmethoden ausgewichen wurde“, heißt es im Bildungsmonitor. „Dies ist jedoch nicht systematisch und flächendeckend geschehen, so dass die digitalen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler weiter zu stärken sind. Hierzu ist es erforderlich, die Ausstattung der Bildungseinrichtungen mit Informations- und Kommunikationstechnologien zu verbessern und die Unterrichtsinhalte an diese digitale Ausstattung anzupassen.“
Zur Umsetzung der Digitalisierungsstrategie, heißt es weiter, seien 20.000 zusätzliche IT-Stellen an den Schulen notwendig. Die Fachleute sollen die Administration sicherstellen und die Lehrkräfte unterstützen. Außerdem müssten mehr Lehrkräfte in den MINT-Fächern ausgebildet und zusätzliche Quer- und Seiteneinsteiger*innen qualifiziert werden. In Informatik entspreche die Lehrerausbildung nur unzureichend aktuellen und zukünftigen Standards.
Deutliche Worte an die Kultusministerien
Ob Deutschland in Sachen Bildung eine Trendwende schaffen kann? Hubertus Pellengahr, Geschäftsführer der INSM, ist skeptisch. Er vermisse Ehrgeiz und Entschlossenheit bei vielen Mitgliedern der Kultusministerkonferenz, heißt es in einer Pressemeldung der Initiative: „In fast der Hälfte der Bundesländer haben sich die Bildungssysteme seit 2013 unterm Strich verschlechtert. In wohlklingenden Reden wird von Chancengerechtigkeit gesprochen, bei den viel zu hohen Schulabbrecherquoten tut sich aber seit Jahren kaum etwas. Das trifft vor allem Kinder ausländischer Herkunft hart. Neue Laptops oder Tablet-Computer werden monatelang nicht ausgepackt, da sich niemand für die Installation von Programmen zuständig fühlt oder Datenschutzbedenken im Weg stehen. Unser Bildungsföderalismus hat viele Vorteile. Sie werden nur viel zu selten genutzt.“
Alle Ergebnisse des INSM-Bildungsmonitors finden Sie auf https://www.insm-bildungsmonitor.de/.
Die Ergebnisse im Bereich Digitalisierung finden Sie hier: https://www.insm-bildungsmonitor.de/pdf/Bildungsmonitor-Schwerpunktkapitel-Digitalisierung.pdf