Inwiefern lässt sich mit einer Lernplattform Zeit sparen und Qualität sichern? Welche Vorteile hat die Verzahnung digitaler Möglichkeiten unter einer Bedienoberfläche für Lehrkräfte? Über diese und andere Fragen rund um den Einsatz digitaler Medien im Unterricht sprach Einfach.Digital.Lernen. (EDL) mit Barbara Thomas, Lehrerin für Deutsch und Spanisch sowie seit 2021 Didaktische Leiterin am privaten Ernst-Kalkuhl-Gymnasium in Bonn.
Einfach.Digital.Lernen.: Frau Thomas, Sie arbeiten gerade mit dem Kollegium vor allem am Medienkonzept der Schule. Wie sind Sie denn digital aufgestellt?
Barbara Thomas: Unser Medienkonzept fußt auf dem Medienkompetenzrahmen NRW, mit dem Ziel fachliche und Medienkompetenzen in Progression zu bringen. Durch das Förderprogramm des Landes „Gute Schule 2020“ konnten wir unsere Ausstattung erweitern und auf solide Füße stellen, sodass wir die Hürden durch fehlende technische Ressourcen minimieren konnten.
Wir haben zum Beispiel in nahezu allen Klassen- und Fachräumen digitale Tafeln; zusätzlich zu unseren Computerräumen haben wir jetzt auch Tablet-Koffer, die flexibel eingesetzt werden können. Vor zwei Jahren kamen Diensttablets für das Kollegium hinzu und wir haben uns dazu entschieden, dass wir ab Klasse 8 auch die Schüler*innen mit Tablets arbeiten lassen wollen. In den Klassen 5 bis 7 schulen wir Medienkompetenzen in den verschiedenen Fächern und eröffnen immer wieder digitale Lernräume für bestimmte Aufgabenstellungen. Die Arbeit mit digitalen Mitteln nimmt also sukzessive zu.
Einfach.Digital.Lernen.: Welche digitalen Lernräume stehen Ihnen zur Verfügung?
Thomas: Ein ganz wichtiger Baustein unseres Medienkonzeptes sind unsere Lernplattformen. Wir haben Moodle schon seit mehr als 15 Jahren. Wir benutzen die Plattform jetzt vor allem noch in den Klassen 5 und 6. Hier in Nordrhein-Westfahlen nutzen die Grundschulen ja teils die Landeslösung logineo, die im Grunde eine sehr ähnliche Oberfläche hat, sodass die Schüler*innen bei uns daran anknüpfen können.
Vor allem ab Klasse 8, in dem Moment, in dem die Schüler*innen ihre Tablets bekommen, erfolgt dann die Nutzung von MNSpro. In der Jahrgangsstufe darf es ruhig etwas komplexer werden. Vorteilhaft ist: Man kann die Oberfläche dieser Plattform frei gestalten und Anwendungen, die man nutzen möchte, dort hinterlegen, sodass man sofort auf sie zugreifen kann. Wir haben zum Beispiel direkt über MNSpro einen Zugang zu Moodle. Außerdem bietet die Plattform Anwendungen wie Teams und OneNote, mit denen in der Mittelstufe viel gearbeitet wird. Die Möglichkeiten, kollaborativ zu arbeiten, nehmen dann zu. Dafür ist diese Oberfläche gut geeignet.
Ohne digitale Mittel wäre die Recherche wesentlich aufwendiger, aber auch die Phase der Erarbeitung, denn die Schüler*innen können über MNSpro Cloud unabhängig von Ort und Zeit gemeinsam an ihrem Produkt arbeiten.
Lehrerin Barbara Thomas ist seit vielen Jahren in der Unterrichts- und Medienentwicklung am Bonner Ernst-Kalkuhl-Gymnasium tätig.
Einfach.Digital.Lernen.: Wie gestalten Sie den Unterricht mit der Plattform und wie funktioniert das kollaborative Arbeiten?
Thomas: Ein Beispiel aus meinem Deutschunterricht: Angelehnt an das Schulbuch geht es um das Thema Konsum mit dem fachlichen Schwerpunkt der Erörterung. „Wie nachhaltig kann Konsum sein?“, lautet die Frage, die die Schüler*innen bearbeiten sollen. Dazu hinterlege ich für sie verschiedene Materialien auf der Plattform, zum Beispiel Links von Videos und Webseiten, auf denen die Schüler*innen recherchieren können. Sie führen dann verschiedene Erarbeitungsschritte bis hin zur Präsentation durch. Die Präsentation erstellen sie digital, zum Beispiel als Schaubild auf einer PowerPoint-Folie, die sie in der MNSpro Cloud abspeichern. Die Mitschüler*innen können dann die Präsentationen online einsehen, kommentieren oder Fragen dazu stellen.
Ohne die digitalen Mittel wäre natürlich die Recherche wesentlich aufwendiger, aber auch die Phase der Erarbeitung, denn die Schüler*innen können über MNSpro Cloud unabhängig von Ort und Zeit gemeinsam an ihrem Produkt arbeiten. Man muss sich nicht mehr umständlich für den Nachmittag verabreden, sie können entweder eine Uhrzeit verabreden und zeitgleich arbeiten oder auch asynchron am selben Produkt zu unterschiedlichen Zeiten arbeiten. Und jede*r kann zu jeder Zeit den Stand des Arbeitsprozesses der oder des anderen sehen.
In einem Setting ohne digitale Anwendungen hätte ich in der Regel eine Präsentationsphase im Plenum. Das heißt, die Schüler*innen würden ihr Plakat präsentieren. Meistens ist das nicht gut lesbar, weil es im Klassenraum für die hinteren Sitzreihen zu weit weg ist. Über die Lernplattform ist es möglich, dass die Schüler*innenprodukte digital geteilt und tatsächlich auch direkt kommentiert werden können, wodurch das Feedback breiter wird. Aber – und das empfinde ich als fast noch größeren Vorteil – auch das Ergebnis ist für alle im Grunde direkt gesichert. Gleichwohl kann ich natürlich weiterhin Präsentationsphasen durchführen, also die Gruppen ihre Arbeit im Unterricht vorstellen lassen. Durch die digitalen Tafeln können Einzelaspekte vergrößert sichtbar gemacht und diskutiert werden. Auch die Korrektur der Rechtschreibung kann so von der gesamten Klasse übernommen werden. Ich empfinde die Ergebnisse oftmals als qualitativ hochwertig und dem Schüler*innenprodukt kommt eine große Wertschätzung zu.
Einfach.Digital.Lernen.: Sie erwähnten gerade die Rechtschreibung. Wird die durch das digitale Arbeiten besser?
Thomas: Ich habe generell den Eindruck, dass die Schüler*innen schon bei der Erarbeitung von Präsentationen eine größere Sorgfalt an den Tag legen. Es ist ihnen nicht egal, welches Foto oder welches Bild zur Veranschaulichung gewählt wird. Da wird dann schon ganz genau über Fragen wie „Was sind die Schlüsselbegriffe, die genutzt werden müssen?“ oder „Wie gestalte ich das Layout?“ nachgedacht, weil klar ist, dass auch im Detail geschaut werden kann.
Gerade im Fremdsprachenunterricht gibt es Lernphasen, in denen die korrekte Sprachverwendung wichtig ist. Da kann ich mit digitalen Schülerprodukten natürlich gezielt Spracharbeit machen. Ich kann als Lehrerin ganz einfach die Orthografie prüfen, schauen, ob Fachbegriffe richtig verwendet wurden, sodass das Endprodukt, das mit allen Schüler*innen geteilt wird, zum einen sprachlich richtig ist. Zum anderen wird es aber auch inhaltlich komplex, weil es vielleicht im Plenum noch einmal überarbeitet wurde. Und damit erziele ich eine deutlich höhere Qualität.
Was aus den Evaluationen eindeutig hervorging, ist, dass das digitale Arbeiten unheimlich zeitersparend sein kann, denn viele Schritte fallen im Grunde weg.
Einfach.Digital.Lernen.: Inwiefern ist denn das Korrigieren digitaler Texte einfacher?
Thomas: Die Korrektur von Schaubildern oder Flyern ist in der Regel nicht so textlastig. Anders sieht es mit Fließtexten aus. Ich kann aber durch die Lernplattform vielfältigere Möglichkeiten der Korrektur nutzen und den Schüler*innen unmittelbare Rückmeldung geben. Digital eingereichte Texte kann ich zum Beispiel direkt über eine Anwendung in MNSpro Cloud handschriftlich am Tablet korrigieren, ich kann auch einen Kommentar dazu schreiben oder meinen Erwartungshorizont als Dokument hinzufügen. Das wäre analog deutlich aufwendiger, da Hefte erst eingesammelt und dann auch zeitnah wieder ausgeteilt werden müssten.
Ich unterrichte Deutsch und Spanisch, sehr textlastige und korrekturintensive Fächer. Während der Pandemie war die Menge der Korrektur von Schüler*innenprodukten nicht mehr zu bewältigen. Deshalb habe ich dann zeitweise mündliche Kommentare gegeben, also einfach ein Audio aufgenommen und die wichtigsten Aspekte kriteriengeleitet bewertet oder ein Positivfeedback ausgesprochen. Das funktioniert super und bringt viel Zeitersparnis.
Einfach.Digital.Lernen.: Sie haben den ersten Jahrgang, in dem mit Tablets und MNSpro Cloud gearbeitet wurde mit vielen Evaluationen begleitet. Welche Effekte konnten Sie im Kollegium feststellen?
Thomas: Was aus den Evaluationen eindeutig hervorging, ist, dass das digitale Arbeiten unheimlich zeitersparend sein kann, denn viele Schritte fallen im Grunde weg. Das fängt schon damit an, dass Material nicht mehr kopiert werden muss, sondern alles digital und somit auch ressourcenschonend zur Verfügung steht. Das ist ein großer Vorteil, den wir im Moment sehen. Auch dass man die Materialien effizient teilen kann, erspart viel Zeit. Wir nutzen die MNSpro Oberfläche auch, um innerhalb der Fachschaften Materialien zu teilen. Man kann mal eben eine Unterrichtseinheit hochladen oder alte Klausuren einsehen, das geht jetzt ganz schnell.
Gerade dieser Aspekt des Kooperierens auf Kolleg*innenebene klappt unheimlich gut damit und ist eine große Erleichterung. In meinen Fachschaften haben wir jeweils einen gemeinsamen Ordner, in den wir unsere Materialien hochladen können. Wir haben eine Struktur angelegt, in der sich alle zurechtfinden. Und auch die, die neu dazukommen, wissen sofort, wo sie etwas finden. Und dann ist auch ein Lehrkraftwechsel kein Stolperstein mehr, sondern kann ganz organisch vonstattengehen. Neben der Arbeitserleichterung für jeden Kollegen und jede Kollegin profitieren davon natürlich gerade auch Berufsanfänger*innen unheimlich, die ja noch nicht so einen großen Fundus an Material haben und am Anfang noch viel Zeit mit der Unterrichtsplanung verbringen. Da ist es sehr hilfreich, wenn man sich an Strukturen orientieren und auf Material zurückgreifen kann.
Neben der Zeitersparnis ist das aber auch eine Form von Qualitätssicherung an der Schule. Denn wenn sich alle an bestimmten Prinzipien orientieren, erhält man eine Vergleichbarkeit. Damit meine ich jetzt nicht nur den Kernlehrplan, sondern auch Aspekte wie Absprachen, die in den Teams getroffen werden. Man kann aus dem Prozess heraus eine Qualitätssicherung und Standardisierung anstreben. Dies schafft Transparenz bei Schülerinnen und Schülern, aber man kann damit auch den Eltern zeigen: Wir arbeiten hier nicht in einem luftleeren Raum, in dem jeder seine eigene Suppe kocht, sondern es gibt klare Standards, die an unserer Schule eingehalten werden.