Foto: Marco Urban, VDR

Bildungsmesse didacta 2023 – VDR-Chef Böhm: „Wir benötigen ein engeres Miteinander von Schule und Wirtschaft“

Im Vorfeld der didacta 2023 in Stuttgart hat der Didacta Verband der Bildungswirtschaft – Veranstalter der Messe – ein Papier mit bildungspolitischen Forderungen herausgegeben. Einer der Autoren: Jürgen Böhm, Bundesvorsitzender des Deutschen Realschullehrerverbands VDR (und Vorstandsmitglied im Didacta Verband). Böhm setzt sich „für ein engeres Miteinander von Schule und Wirtschaft“ ein. Wir haben ihn gebeten, die einzelnen Punkte zu erläutern. Jürgen Böhm ist im Interview live auf der didacta zu erleben – am 9. März um 12.15 am Stand von AixConcept, dem IT-Dienstleister für Schulen.

Der Didacta Verband fordert: „Materielle Voraussetzungen für beste Bildung schaffen!“

Die Begründung: „Bildung muss sich den gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Veränderungsprozessen stellen, um den Herausforderungen einer sich wandelnden Welt gerecht zu werden und Kinder und Jugendliche auf diese Welt angemessen vorzubereiten. Politik und alle Bildungsverantwortlichen fordern wir auf, die materiellen Voraussetzungen zu schaffen, um für die junge Generation eine zukunftsorientierte, gerechte und für jedes Kind faire bzw. vielfältige Bildung zu sichern.“

Jürgen Böhm kommentiert: „Bildung hat einen viel zu geringen Stellenwert in der Politik, was sich an der unzureichenden Finanzierung ablesen lässt. Allein bei den Schulgebäuden gibt es einen Sanierungsstau von 45 Milliarden Euro. Bund und Länder müssen deutlich mehr Geld ins System stecken – und zwar doppelt so viel wie bisher. Nur so können beste strukturelle, personelle und materielle Rahmenbedingungen im Bildungssystem geschaffen werden.“

Der Didacta Verband fordert: „Digitale Transformation in der Bildung gemeinsam bewältigen!“

Die Begründung: „Der digitalen Transformation werden wir nur mit vereinten Kräften gerecht. Die Bildungswirtschaft ist bereit, diesen Wandel mit hoher Qualität ihrer Produkte praxisnah mitzugestalten. Sie ist in diesem Prozess ein unverzichtbarer Partner. Insbesondere von den Bildungsträgern erwarten wir eine stärkere Kooperation und die weitere Öffnung der Bildungseinrichtungen. Von den Bildungspolitikern der Länder fordern wir, endlich einen Digitalpakt II aufzulegen und umzusetzen, der diese notwendige Kooperation ermöglicht. Es gilt, strukturelle und technologische Fehlentwicklungen bzw. staatliche Mittelverschwendung zu vermeiden.“

Jürgen Böhm sagt: „Natürlich muss der Staat für die Digitalisierung der Schulen den Rahmen setzen. Der Staat ist aber nicht der beste IT-Entwickler, auch in der Bildung nicht. Wir benötigen eine stärkere Kooperation mit innovativen Unternehmen aus der Branche, um zu praxisnahen, funktionierenden Lösungen zu kommen, mit denen Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler arbeiten können. Das geht hinauf bis zu den Bildungsplattformen. Gerade der Mittelstand hat hier viel zu bieten. Die Administration, Pflege und Wartung der Technik ist ein gutes Beispiel dafür. Der Arbeitsmarkt für IT-Fachkräfte ist leergefegt. Viele Schulträger haben gar nicht das Personal, um den notwendigen Service für die Schulen zu erledigen – die darauf spezialisierten Firmen, die auch bessere Gehälter und Arbeitsbedingungen bieten können, schon. Wenn man also nicht will, dass Lehrkräfte nebenbei die Administration erledigen und dann für den Unterricht nicht zur Verfügung stehen, muss man die externe Hilfe, die angeboten wird, eben in Anspruch nehmen.“

Der Didacta Verband fordert: „Digitale Kompetenz im Bildungsprozess verankern!“

Begründung: „Digitale Kompetenz, inklusive der Fähigkeit des Umgangs mit KI-Systemen, zählt zu den wichtigen Zukunftskompetenzen.“

Böhm erklärt: „Das Verständnis für digitale Zusammenhänge muss Teil der Bildung werden. Es muss in die Bildungspläne hinein, und zwar auf allen Ebenen, in der gesamten Bildungskette. Künstliche Intelligenz sprechen wir an, weil ChatGPD ja schon aufzeigt, wohin die Entwicklung geht – KI wird künftig unser Leben prägen. Auch die Schule wird sich damit verändern. Wir müssen Abschied nehmen von gewissen Leistungserhebungen wie dem klassischen Hausaufsatz. Das ist vorbei, wenn man nicht mehr klar erkennen kann, von wem diese Leistung erbracht wurde, vom Schüler oder von der KI. Auf der anderen Seite verspricht KI womöglich auch Entlastung für Lehrkräfte, wenn sich damit kurze Abfragen korrigieren oder Unterrichtseinheiten vorbereiten lassen.“

Der Didacta Verband fordert: „Kitas fit machen – auch digital!“

Die Begründung: „Kindertageseinrichtungen haben die Aufgabe, der nachwachsenden Generation grundlegende Kompetenzen, Werte und soziale Fähigkeiten mit auf den Weg zu geben – dazu gehört auch die Mündigkeit in einer digitalisierten Gesellschaft.“

Böhm meint dazu: „Es geht nicht darum, von haptischen und von analogen Elementen in der frühkindlichen Pädagogik Abschied zu nehmen. Wichtig ist, einen guten Umgang mit der Digitalisierung auch in die frühkindliche oder in die vorschulische Erziehung mit einfließen zu lassen – in kleinen Dosen. Machen wir uns nichts vor. Die Kleinen sind in ihrem Alltagsleben schon jetzt mit Computern konfrontiert. Sie bekommen ja mit, welche Bedeutung das Handy für die meisten Erwachsenen hat. Wer möchte, dass junge Menschen einen mündigen Umgang mit Digitalisierung lernen, muss früh damit beginnen, ihnen diesen zu vermitteln.“

Der Didacta Verband fordert: „Pädagogische Räume zukunftsorientiert gestalten und ausstatten!“

Die Begründung: „Wir fordern, die Raum- und Ausstattungsfrage evidenzbasiert und mit politischem Willen anzugehen, damit Lernende in modernen Räumen und mit den bestmöglichen Medien und Materialien lernen können.“

Böhm: „Ich sage nur: Sanierungsstau von 45 Milliarden Euro – allein bei den Schulen. Hier haben sich die Sachaufwandsträger in den letzten Jahren einen schlanken Fuß gemacht. Wir benötigen pädagogische Räume, in denen das Lernen Freude macht und die Kommunikation ermöglichen.“

Der Didacta Verband fordert: „In Fach- und Lehrkräfte investieren!“

Begründung: „Der aktuelle Mangel an Fach- und Lehrkräften in der Betreuung und Bildung ist erschreckend und verdeutlicht, dass eine vorausschauende Planung und Qualitätssicherung dringend erforderlich sind.“

Böhm: „Wir benötigen eine Offensive in der Kita-Fachkräfte- und Lehrkräfteausbildung, um die besten Köpfe für die Bildung zu bekommen. In guten Zeiten haben wir viele Menschen, die Lehrkraft werden wollten, in andere Berufsfelder abwandern lassen. Jetzt plötzlich merken wir, dass wir die gut in den Schulen gebrauchen könnten. Man hätte damals anders denken müssen: in Reserven. Und nicht nur ans Sparen. Ich erinnere mich gut an die sogenannte ‚demographische Rendite‘ – also Lehrerstellen die den Schulen gestrichen wurden, weil angeblich die Schülerzahlen sinken. Die Schülerzahlen sind aber nicht gesunken. Und deswegen sind wir jetzt in einer echten Notlage.“

Der Didacta Verband fordert: „Außerschulische Lernorte einbeziehen!“

Begründung: „Außerschulische Bildungsangebote tragen zur Entwicklung und Bildung von Kindern und Jugendlichen signifikant bei.“

Böhm: „Corona und die aktuellen Herausforderungen belasten die Schulen enorm.  Aber das Potenzial, das außerschulische Lernorte bieten, ist enorm und kann besser genutzt werden. Schule allein macht Bildung nicht aus. Wir müssen uns mehr öffnen – auch im Hinblick auf die Wirtschaft. Wir benötigen externe Partner. Schon dafür, um unseren Schülerinnen und Schülern Perspektiven für die Zeit nach der Schule aufzuzeigen.“ Der Beitrag ist zunächst auf News4teachers erschienen. Wir veröffentlichen ihn hier mit freundlicher Genehmigung der Agentur für Bildungsjournalismus.


AixConcept auf der didacta

Live-Gespräche mit Praktikerinnen und Praktikern aus Schule und Verwaltung, Produkt-Präsentationen und ein innovatives Unterrichtsformat – AixConcept bietet auf der didacta 2023 in Stuttgart ein pralles Info-Programm rund um die Digitalisierung der Schulen. Prominente Gäste haben sich angesagt: neben Jürgen Böhm die Bundesvorsitzende des Deutschen Philologenverbands Prof. Dr. Susanne Lin-Klitzing, der Ehrenpräsident des didacta Verbands Prof. Dr. Prof. Dr. Dr. Dr. Wassilios E. Fthenakis, sowie Cornelia Schneider-Pungs, Teamleiterin für den Schulbereich von Microsoft Deutschland.

Hier geht es zum vollständigen Standprogramm von AixConcept: https://aixconcept.de/didacta-2023/

Besuchen Sie uns! Halle 1 (L-Bank Forum) | Stand 1-F13


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